Eine zweite Chance(Final Fantasy VII/Crisis Core)

Veröffentlicht auf von Rahir

Titel: Eine zweite Chance
Autor: Smailii1805
Prosa
Fandom: Final Fantasy VII - Crisis Core
Genre: Mystery
Link zur Story: Text gelöscht
 
Kurzbeschreibung des Inhalts: Als Angeal aus dem Lebensstrom zurückkommt, verliert er jegliche Erinnerung an sein früheres Leben. Damit geht der Mann verloren, den so viele verehrten, und auch seine besondere Verbindung zu Zack. Während Zack ums Überleben kämpft, spinnt die ShinRa Corporation ein dichtes Netz aus Intrigen um Angeal.

 

Sprache

Im vorliegenden Text finden sich einige wenige Wortdreher und Typos, die sich durchaus mit einer Rechtschreibprüfung hätten finden lassen. Darüber hinaus ist die Grammatik und vor allem der sprachliche Stil sehr sattelfest und hat einen routinierten Klang, der auf längere Schreibpraxis schließen lässt. Beschreibungen kommen zwar eher nur in karger Form vor, sind aber zumeist sehr treffend und effektiv. Immer wieder baut die Autorin gute Metaphern und Vergleiche ein, die dem Stil Leben einzuhauchen vermögen. Auf dieser Ebene gesehen wirkt der Text recht gelungen und gleichermaßen kompakt.

 

Das schlägt sich bereits im Prolog nieder, der den Text eröffnet. Normalerweise sind Prologe, Vorwörter, oder wie auch immer die Autoren es nennen, zu 99% plumpe Exposition, die die Unfähigkeit, einen glaubhaften narrativen Strang zu beginnen, verschleiern soll. Hier hingegen gelingt die Eröffnung mit diesem Kunstgriff, in dem sie dem Leser auf etwas naiv klingende, aber doch authentische Weise die Gedanken der Hauptfigur mitteilt und außerdem den Hintergrund in Teilen umreißt, bevor die eigentliche Geschichte beginnt. Leider sollten dies auch die einzigen zusammenhängenden Gedanken der Hauptfigur bleiben, aber dazu später mehr.

 

Was auf der stilistischen Ebene weniger stimmig wirkt, ist der Versuch der Autorin, Zeitformen und Erzählperspektiven zu mischen. So läuft das Geschehen aus der Sicht der Hauptfigur in der Ich-Person und Gegenwart ab, während alle anderen Figuren mit Dritter Person und Vergangenheitsform dargestellt werden. Die Motivation für dieses Experiment kann ich nur raten. Jedenfalls wirkte es für mich verwirrend und im weiteren Verlauf zunehmend störend. Mir stellt sich die Frage, warum von einem üblichen Schema abweichen, das doch funktioniert? Ein Grund könnte gewesen sein, dem Text einen prätentiösen Klang zu geben- was höchstens noch bei postmoderner Gegenwartsliteratur passend wäre. Bei einer Erzählung, die im Gegensatz zur zeitgenössischen Literatur der Unterhaltung dient, erschwert es aber nur unnötig das Lesen.


Inhalt/Handlung

Die Handlung beginnt mit Angeal, einer Figur aus dem erweiterten FF7-Universum. Nach seinem Tod taucht er aus nicht näher erklärten Gründen wieder auf, natürlich ohne Gedächtnis(und auch ohne Verstand, aber dazu unter ‚Charaktere‘ mehr). Er findet bei Zacks Eltern Unterschlupf und begegnet seinem früheren Kameraden, der ihn tot wähnt, ebenso. In der sich daraufhin entfaltenden Handlung, in der Professor Hojo nach seinen Versuchskaninchen Ausschau hält, wird auf Angeals rätselhafte Rückkehr allerdings kein echter Bezug mehr genommen- als ob die Geschichte auf ihn vergessen hätte(es kommt einzig die vage Andeutung, dass er ein ‚Klon‘ sein könnte- mehr nicht). Stattdessen gibt es eine Schnitzeljagd zwischen der Shinra-Villa in Nibelheim, Zacks Heimatstadt Gongaga und Midgar, ohne dass sich der Plot auf einen erkennbaren roten Faden einigen kann. Darüber hinaus leidet aber der Plot vor allem an Ereignis-Armut.

 

Dass ein Plot nicht hektisch ist, stört mich persönlich nicht im Geringsten, vor allem, wenn der Stil gut ist- so wie hier. Wenn er aber das Tempo eines Gletschers annimmt, läuft etwas schief. Dem Ganzen fehlen einfach mit Bedeutung aufgeladene Aussagen, um die Abwesenheit interessanter Ereignisse auszugleichen. Dazu kommt, dass potentiell interessante Geschehnisse wie der Kampf zwischen den Turks und den Mitgliedern von Avalanche, oder später der Überfall auf die Shinra-Basis, quasi ‚ausgeblendet‘ werden. Stattdessen wird beispielsweise auf Angeals langweiligen Alltag nach seiner ‚Rückkehr‘ zum Shinra-Hauptquartier detailliert bezuggenommen. Zwar wie oft in der Geschichte mit sprachlich gutem Stil und sogar manch subtilen Zwischentönen, aber einfach nicht interessant.

 

Es wird dadurch noch schlimmer, dass etwa ab der Hälfte des mir vorliegenden Textes der Plot sich offenbar selber überdrüssig wird. Ab der Schilderung, wo plötzlich alle Beteiligten mit Angeal losfliegen, um auf Yuffies Bestreben hin Hojos Laborausrüstung zu stehlen(warum landen sie eigentlich nicht gleich in der Nähe der Basis?), spult die Autorin das Geschehen mit einer Lustlosigkeit ab, die sich zwangsläufig auf mich als Leser übertragen hat. Atmosphäre, Beschreibungen, Charakterisierung- all dem geht hier die Luft aus und wandelt den Text von einem bis dahin zähen in ein schließlich stehendes Gewässer um, was, wie in der Metapher, nachteilige Auswirkung hat. Um zu fesseln und mitzureißen, braucht ein Text eine ihm zugrundeliegende Hingabe, die aus ehrlichem Interesse am Schicksal der Figuren im Autor entstammt und so selbiges im Leser weckt. Sprachlich kompetente(aber eben)‚Fließbandarbeit‘ vermag das nicht.  


Charaktere

Die Hauptfigur(und die einzige Person, die das Geschehen aus der Ich-Perspektive erlebt)ist Angeal, und sie ist in meinen Augen auch das Hauptproblem dieser Geschichte. Dass eine Person, die ihr Gedächtnis verloren hat, Schwierigkeiten hat, sich in einer ihr unbekannten Umgebung zurechtzufinden, ist logisch und wurde auch soweit gut dargestellt- leider übertreibt es die Autorin im Verlauf der Geschichte aber massiv. Was immer mit Angeal in der Phase zwischen seinem Tod und seinem rätselhaften Wiederauftauchen passiert ist, ihm muss wohl eine Lobotomie widerfahren sein. Er reagiert auf alles, was ihm geschieht, wie ein kleines Kind, das nicht selbstständig aufs Klo gehen kann. Was zuerst unverständlich ist, nervt mit der Zeit dermaßen, dass man ihm jeden Schlag, den er handlungsbedingt einstecken muss, von Herzen vergönnt.

 

Die zweite Hauptfigur, Zack, ist da deutlich besser gelungen. Zwar wirkt auch er stellenweise etwas zurückgeblieben, aber immerhin kommt sein unverbesserlicher Optimismus, der seinen Charakter definiert, ganz gut rüber. Von allen weiteren Figuren sind es nur noch Professor Hojo und der Turk-Führer Tseng, die interessante Vielschichtigkeit und menschliche Eigenschaften erkennen lassen, die sie auf wohltuende Weise über den reinen Bösewicht-Status heben. Dann gibt es zeitweise auch gelungene Nebenfiguren wie ‚ Summers und sein Vorgesetzter‘, die mit ihren Facetten trotz ihrer einmaligen Auftritte zur Lebensechtheit der Szenen beitragen.

 

Alle weiteren Teilnehmer der Handlung sind allerdings eher Pappschablonen: Cloud, der ausschließlich bewusstlos ist, Vincent, der außer finster dreinzuschauen nichts zu tun hat, das Duo Reno und Rude, die zwar genügend Potential für komische Szenen bieten würden, aber auch nur beiläufig abgehandelt werden, und-so-weiter. Tifa, Cid und Barret, die sich der Handlung später anschließen, bekommen keinerlei Beschreibung oder Charakterisierung mehr ab, von sich wiederholenden Plattitüden abgesehen(wie beispielsweise bei Cid, dessen einziges Merkmal das ständig erwähnte ‚Fluchen‘ ist).   


Sonstiges

Die Idee, einen Totgeglaubten mitsamt Plot-bequemer Amnesie wieder auftauchen zu lassen, ist alles, nur nicht originell. Aber es kommt nicht so sehr auf die Originalität als auf die Ausführung an, finde ich, da ohnehin alles schon mal dagewesen ist. Insofern ist der Titel durchaus passend. Was ich als weniger passend empfunden habe, war die Zusammenfassung. Sie führt nämlich in die Irre: Statt einem ‚dichten Netz aus Intrigen‘, was mich erwartungsvoll gestimmt hat, empfing mich vielmehr eine nicht sonderlich spannende Schnitzeljagd zwischen den bekannten Örtlichkeiten der Vorlage, und das mit einem Plot, der im Laufe der Geschichte einzuschlafen droht.

 

Irgendwann vergisst der Plot sogar, worum es ursprünglich ging, und geht stattdessen mit Yuffi auf Schatzjagd- aber nur so viel zur Zusammenfassung, die ich durchaus als unkorrekt empfunden habe. Womöglich sind diese ersten 160 Normseiten, die ich lesen konnte, nur der Anfang eines Epos, in dessen Verlauf alle Fäden wieder zusammengeführt werden. Sollte es aber in der momentanen blutleeren Tonart weitergehen, so kann zumindest ich kaum die Geduld aufbringen, so weit zu lesen. Ein zäher Einstieg ist verzeihlich, aber nach 160 Seiten sollte der Einstieg eigentlich geschafft sein. Davon abgesehen ist die Textstruktur mit ihren häufigen Freizeilen gut auf das Lesen am Bildschirm abgestimmt.


Persönliche Meinung

 

Ein schwacher oder gar weitgehend durch Abwesenheit glänzender Plot ist für mich nicht grundsätzlich ein schwerwiegendes Manko. Man denke nur an Goethes ‚Wahlverwandtschaften‘, ein Roman, bei dem der Plot quasi auf Urlaub ist und die Figuren machen lässt, was sie wollen, was in dem Fall nichts Spektakuläres ist. Es wird aber wettgemacht durch einen epochalen Stil und eine Tiefe, die den Plot einen aufgeschlossenen Leser nicht vermissen lässt. Hier besteht das Problem darin, dass Stil und Themen zu seicht sind, um mich als Leser über die Abwesenheit eines packenden Geschehens hinwegzutrösten. Was mir stark auffiel, war, dass ungefähr ab Kapitel 6 das bis dahin vorhandene Vermögen der Autorin, den Szenen Leben und Farbe einzuhauchen, zunehmend verlorenging. Ich werde den Eindruck nicht los, dass die Anfangsmotivation zu der Geschichte ab diesem Zeitpunkt versandete. Und das wirkt sich nicht nur auf der stilistischen Ebene aus, auch die Plotschwächen werden ab dem Zeitpunkt unübersehbar.

 

‚Slash‘ wird innerhalb der Fanfictiongemeinde, die von diesem Thema geradezu überflutet ist, zumeist so subtil gehandhabt, als wenn ein pubertierendes Mädchen kichernd zwei Ken-Puppen aneinander reibt. Auch haben die Figuren dann kaum mehr Tiefe als die eben angesprochenen Plastikspielzeuge. Ganz so schlimm ist es hier nicht- viel besser aber auch nicht. Wenn es der Autorin beliebt, werden muskelbepackte, kriegserprobte Helden charakterlich zu schüchternen Mädchen, die Komplimente von kaltschnäuzigen(und gänzlich unschwulen)Konzernbossen bekommen. Dass gegen Ende des Texts(Achtung, Spoiler…)Rufus den guten Angeal verführen will, wirkt da in seiner Aufgesetztheit beinahe schon konsequent.

 

Ein weiteres Detail, das zwar winzig sein mag, mir aber trotzdem ins Auge stach, war die hier häufig auftretende Unart, die Personen anhand ihrer Haarfarbe zu benennen. Jedes Mal, wenn in einer Fanfic jemand ‚der Blonde‘ oder ‚der Rotschopf‘ genannt wird, stellt sich mir mein ‚Blondschopf‘ auf. Wenn einem das hin und wieder auskommt, okay, aber andauernd? Dass die überwiegend weiblichen Fanfic-Autorinnen naturgemäß den Haarfarben ihrer Protagonisten großes Interesse schenken, ist verständlich. Es sollte aber vermieden werden, wenn ohnehin aus der Perspektive von männlichen Figuren geschrieben wird, die keinen Grund haben, sich um ihre Haarfarbe oder Frisur zu sorgen. Also: Lasst ‚den Blonden‘ zuhause und verwendet einfach den Namen.


Überarbeitungsvorschläge

 

Jemand, der sein Gedächtnis verliert, verliert normalerweise nicht auch jegliche Intelligenz und Hausverstand. Bitte das beachten, sonst verliert der Leser im Gegenzug die Geduld.

 

Den Plot gut durchplanen. Für die meisten Autoren gilt, dass ihn nur ein konkret definierter Plot mit Etappen- und Endzielen beim Schreiben motiviert. Denn: Langweilt sich der Autor, langweilt sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch der Leser.

 

Verschwulung, die vom Himmel fällt, sollte man den sehr jungen Autorinnen, die Beziehungen bzw. Männer allgemein nur aus ihrer Phantasie kennen, überlassen. Überall sonst wirkt das nur peinlich. Also: Muss dieser Charakterzug schon vorkommen, dann bitte besser(und vor allem glaubwürdiger)etablieren.

 

Und das Wichtigste überhaupt: Jeder Autor muss seinen eigenen Weg finden, die berüchtigte ‚Inspiration‘ anzuzapfen. Etwas muss einen unterstützen, die richtige Atmosphäre und Tonart für jede Szene zu finden. Passagen trocken runterzurattern mag bei talentierten Autorinnen wie dieser hier weniger auffallen als bei anderen, es sollte aber auch der letzte Ausweg vor der gänzlichen Schreibblockade bleiben.

 

 

Liebe Grüße,

Rahir

 

 

Veröffentlicht in Fanfiction_Final Fantasy

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