Sechs Leben(Herr der Ringe)
Titel: Sechs Leben
Autor: Feael Silmarien
Prosa oder Poesie: Prosa
Fandom / Original: Herr der Ringe
Genre: Drama
Link zur Story: http://www.fanfiktion.de/s/4c49cd1000001a8b06700fa0
Kurzbeschreibung des Inhalts: Die Belagerung von Minas Tirith hat begonnen. In den Häusern der Heilung hängen sechs Leben davon ab, ob ein Junge namens Bergil, Beregonds Sohn, eine kleine Blume aus dem ersten Festungsring retten kann ...
Sprache
Was mir bei dieser Geschichte besonders auffiel: Der sinnvolle Einsatz des zu Unrecht ein Schattendasein verbringenden Semikolon. Weniger schön ist die vereinzelt vorkommende Erinnerung an den traurigen Fakt, dass der Dativ dem Genitiv sein Tod seien tut. Darüber hinaus ist die Autorin keine Unbekannte für meine Reviews; zwei habe ich ihr bereits gewidmet, und auch dieses kann mit sehr hochwertigem Stil und einer bildreichen, gekonnten Sprache aufwarten.
Zeitweise geht es ein bisschen mit ihr durch, vor allem gegen Schluss, was dann zu stellenweise sogenannter ‚purple prose‘ führt. Nachdem ich aber schon(viel)Schlimmeres in der Hinsicht gesehen habe, will ich es als OK verbuchen. Dafür gibt es auf der anderen Seite Gustostücke für einen hoffnungslosen Schriftfetischisten wie mich, bei denen sie beispielsweise die Hauptfigur die ‚Echtheit‘ der zerstörten Stadt hinterfragen lässt und Zweifel schildert, ob sein Leben nicht in einer ‚unechten‘, intakten Version davon stattgefunden hat.
Inhalt/Handlung
Der Inhalt, man kann es glauben oder nicht, handelt von einem Jungen, der nach Aspirin geschickt wird. Wie sich das mit der Welt von HdR verträgt, steht auf einem anderen Blatt; ebenso, wie das einem schwer vergifteten Menschen helfen soll. Vielleicht habe ich mich auch verlesen, meine Augen sind nicht mehr das, was sie früher einmal waren. Der zentrale Plotpunkt, die Auffindung einer seltenen Blume, die genau gegen eine bestimmte Vergiftung hilft und dummerweise genau an vorderster Front steht, ist für sich genommen eher an den Haaren herbeigezogen.
Darum geht es hier aber genaugenommen nicht, sondern vielmehr um die Angst eines kleinen Jungen, die er mit Hilfe seines bereits entwickelten Stolzes überwindet. Das wird auf einfühlsame und weitgehend unsentimentale Weise erreicht, wodurch die Handlung ihre Wirkung erhält und die Spannung genährt wird. Ihren Abschluss erhält die Handlung in einem berührenden Finale, welches die Geschichte passend abrundet(vor allem der gelungene Schlusssatz sei hervorgehoben).
Charaktere
Die Hauptfigur mit dem seltsam gewählten Namen ‚Persil‘ steht absolut im Vordergrund. Neben diesem zehnjährigen Jungen gibt es dann noch einige Figuren aus einem sogenannten Heilungshaus, die alle Hände mit den Opfern des Angriffes auf Gondor zu tun haben. Und in eben diese Psyche(des Jungens, weniger des Hauses)erhält der Leser einen recht tiefen Einblick, der ebenso empathisch wie wirkungsvoll ausgebreitet wird. Der Junge namens Senil wächst hier im wahrsten Sinne des Wortes an seiner Herausforderung, die darin besteht, seinen Onkel vor dem Vergiftungstod zu retten.
Fast schon etwas sehr; zeitweise wirkten seine Gedankengänge recht erwachsen für einen Zehnjährigen. Das kann man allerdings auf die Lage zurückführen, die schließlich aus einem von Krieg verwüstetem Land besteht. Besonders gegen Schluss kommt das gut zur Geltung. Unter solchen Umständen ist das (über)schnelle Reifen von Charakteren nachvollziehbar, wenngleich die Benennung des kleinen Jungen nach dem antiken Philosophen ‚Vergil‘ in meinen Augen dann doch etwas überzogen wirkt.
Persönliche Meinung
Mir persönlich gefiel diese Geschichte sehr gut, muss ich gestehen. Sie schildert nicht nur die Dramatik einer Schlacht aus der Sicht eines Einzelwesens sehr eindringlich und intensiv, sondern auch die Gedankenwelt eines Zehnjährigen, der unter Druck über sich hinauswächst. Die Schilderungen aus dem Leben von Sanitätern und Kriegsärzten fand ich nicht ganz so beeindruckend und mehr am Rande ablaufend, was mir insofern auffällt, als dass die Autorin die Geschichte speziell diesen Personen gewidmet hat. Für wirklich eindrückliche Berichte aus den Lazaretten blutiger Schlachten kann ich jedem interessierten Leser die ‚Sewastopoler Erzählungen‘ empfehlen, die das Grauen des Krimkrieges- besonders aus der Sicht der Verwundeten- ebenso schockierend wie unaufgeregt zeigen.
Überarbeitungsvorschläge
Bis auf stellenweise ins Pathetische überschwappenden Stil ist diese Geschichte einwandfrei- und natürlich auf eine weitere Sache, die aber nur sehr bedingt ein Kritikpunkt ist. Es geht hier um ein ‚Haus der Heilung‘, in dem die Verwundeten der Schlacht um Gondor ‚verarztet‘ werden. Wie das aber genau vor sich geht, darüber schweigt sich die Autorin aus. Und zwar aus einem naheliegenden Grund: Es gibt da nichts zu beschreiben. Selbst die sogenannten ‚Feldschere‘ des napoleonischen Krieges von 1812 konnten nicht mehr tun, als ausgefranste Glieder amputieren und die Wunden notdürftig verbinden. Und davor hat man Verwundete in den meisten Fällen einfach auf dem Schlachtfeld liegen lassen, bis schließlich ein gewisser Henry Dunant auf den Plan trat.
In einem mittelalterlichen Szenario wie der HdR-Welt bleibt noch weniger, um den Schwerverletzten zu helfen. Durch die Beschreibungen entsteht der Eindruck eines M*A*S*H-mäßigen Operationssaals, wo die Chirurgen von einem OP-Tisch zum nächsten eilen. So etwas war den Kriegern des ‚dunklen‘ Zeitalters aber nicht vergönnt, was natürlich die Prämisse der Geschichte infrage stellt. Da diese Prämisse aber der Punkt der Geschichte von Anfang an war, lässt sich dieses Element schwerlich entfernen; daher nur ein sehr bedingter Kritikpunkt.
Sonstiges
Nachdem ich an dieser Geschichte kaum etwas Substantielles auszusetzen weiß, kommt an dieser Stelle nun etwas kleinliche Nörgelei:
Ganz zu Beginn erwähnt die Autorin den Begriff ‚Uhrzeit‘ in einer Welt, die bestenfalls Sonnenuhren kennen kann. Wie haarsträubend unrealistisch, wo das Genre Fantasy doch höchste Detailgenauigkeit verlangt…
Kein Vater mit Hirn zwischen den Ohren würde seinem zehnjährigen Sohn erlauben, in einer dem Untergang geweihten Stadt zu verweilen. Und natürlich empfindet es der Zehnjährige als ‚peinlich‘, sich aus der Stadt zu retten, anstatt höchstwahrscheinlich zu sterben. Aber vielleicht hat er vorher die Filme gesehen und weiß, dass die Kavallerie rechtzeitig eintreffen wird…
Wiederholungen bestimmter Wörter und Begriffe können mit recht gutem Effekt eingesetzt werden. Etwas Derartiges hat die Autorin gegen Ende der Geschichte versucht; mit begrenztem Erfolg, wie ich feststelle. Ich sage nur: 6 Leben. 6 Blumen. 6mal zu oft erwähnt… Aber andererseits, wenn man es nicht versucht, kann es auch nie gelungen. Insofern ein Pluspunkt von mir für die künstlerische Ambition, die am Ende etwas prätentiös ausfiel.
Die Autorin sollte auch bedenken, dass man Wörter wie ‚unendlich‘ nur sparsam verwenden sollte, will man ihnen nicht die Wirkung entziehen.
Fazit: Ein gelungener Einblick in die Psyche eines kleinen Jungen in einem(für ihn)großen Krieg.
Liebe Grüße,
Rahir