Tropfen(Original)
Titel: Tropfen
Autorin: Joshin no Juryoku
Prosa
Original
Link: http://www.fanfiktion.de/s/4c1dee510000e9200c907530
Kurzbeschreibung: Ein Mädchen und das Mädchen. Gedanken eines Punks, eines Menschen, im hormongesteuerten, im unerfahrenen Stadium der Pubertät.
Sprache
Dass bei einem drei Seiten langen Text keine Tipp- oder Grammatikfehler zu finden sind, setze ich mal voraus. Dass der Stil aber in jeder Hinsicht überzeugt, ist nicht selbstverständlich. Aber es ist der Fall: Die in ihren Grundzügen simple, fast schon trockene Sprache der Autorin verwebt sich perfekt mit den Metaphern, Anspielungen und Querverbindungen, die sie in den Text flechtet. Das Ergebnis ist ein teilweise surreales, teilweise sehr bodenständiges, aber höchst atmosphärisches Bild, das seine Aussage mit großer Effizienz und Farbenreichtum rüberbringt. Mit anderen Worten: Sehr gelungen.
Inhalt/Handlung
Die Handlung dieser Momentaufnahme erzählt von einem Tag im Leben eines offenbar obdachlosen Mädchens und ihre nur tangentialen Verbindung zur ‚normalen‘ Gesellschaft. Diese besteht unter anderem aus einer Kellnerin, die auf beiläufige Weise Teil ihres Alltags ist. Dabei gibt es weder aufdringliches soziales Statement noch Mitleidsgeheische mit der Armut des Mädchens- stattdessen nur eine facettenreiche Momentaufnahme, die gerade durch ihre aussagetechnische Kargheit große Wirkung beim Leser erzielt. Man erfährt nichts Konkretes, weder über das Mädchen noch über die Kellnerin; zwischen den Zeilen erfahren wir jedoch sehr viel, mehr als ein so kurzer Text auf den ersten Blick auszusagen fähig ist.
Charaktere
Die Charakterisierung geschieht hier so subtil, dass sie kaum auffällt; beispielsweise mit der Punk-Kleidung, für die sich das Mädchen schämt, und die sie dennoch mit Stolz trägt, als wäre das ihr Weg, diese gesellschaftlich unkonventionelle Seite an ihr zu akzeptieren. ‚Ausdrucksweise‘ ist auf den ersten Blick schwer zu bewerten, da der einzige Dialog wie auch der Rest der Geschichte von den offensichtlichen Ausdrucksmitteln her karg gehalten ist. Aber dennoch ist er weit aussagekräftiger, als zuerst auffällt. Hier sitzt wirklich jeder Punkt, um mit so wenig Mitteln wie möglich die Charaktere zu formen. Oft sind sie sogar nur an ‚Spiegelungen‘ ihrer tristen, regnerischen Umgebung zu erkennen; der Effekt ist aber auf subtile Weise berührend.
Sonstiges
Die Idee, das Leben eines in jeder Hinsicht am Rande der Gesellschaft stehenden Menschen zum Mittelpunkt einer(sehr kurzen)Geschichte zu machen, ohne es irgendwie zu beschönigen oder zu verklären, ist sogar sehr originell. Trotz seiner Kürze ergründet der Text das Thema mit großer Erzählfülle. Einzig die Zusammenfassung will nicht recht mit dem Text zusammenpassen, da mir weder Anspielungen auf ‚Hormongesteuertheit‘ noch Erfahrungslosigkeit auffielen.
Persönliche Meinung
Meine persönliche Meinung stimmt denkbar selten mit den Lobpreisungen, die so manche Geschichte einheimst, überein. In diesem Fall fühle ich mich jedoch in hohem Maße vom Text angesprochen. Unaufdringlich, ohne Übertreibung und Schwulst ein Geschehen darzulegen, noch dazu auf eine künstlerisch wertvolle Weise, die in erster Linie auf subtile Wirkung setzt, ist im Amateur-Autorenbereich ausgesprochen selten und umso erfreulicher zu entdecken.
Überarbeitungsvorschläge
Für diesen Punkt fällt mir ausnahmsweise nichts ein. Dieser kurze Text hat mich in jeder Hinsicht überzeugt.
Fazit: Eine berührende Momentaufnahme über die Tatsache, dass wir alle nur ‚Tropfen im Regen‘ sind: Sehr lesenswert.
Liebe Grüße,
Rahir