Das Grauen von Hogwarts/Der ohnmächtige Diktator(Harry Potter)
Titel: Das Grauen von Hogwarts
Autor: shinai
Prosa
Fandom: Harry Potter
Genre: Parodie
Link zur Story: http://www.fanfiktion.de/s/478bca0800002928067007d0
Kurzbeschreibung des Inhalts: Hogwarts wird von einer unheimlichen Invasion heimgesucht. Doppelgänger der bekannten HP-Figuren überrennen die Schule, und lassen sich nicht bändigen. Als Fudge auf der Suche nach seinen ausgeliehenen Auroren nach Hogwarts kommt, bietet sich ihm ein so grauenvoller Anblick, dass selbst er bereit ist, etwas dagegen zu unternehmen.
Titel: Der ohnmächtige Diktator
Autor: shinai
Prosa
Fandom: Harry Potter
Genre: Parodie
Link zur Story: http://www.fanfiktion.de/s/48dec56a00002928067007d0
Kurzbeschreibung des Inhalts: Es hätte die Nacht seines endgültigen Triumphes werden sollen, die Nacht seines Sieges über die Zaubererwelt; doch was Lord Voldemort stattdessen erleben muss, stellt seine Nerven auf eine harte Probe. Und wenn er geglaubt hat, das sei schon alles gewesen, dann hat er seine Rechnung ohne einen gewissen Beamten des Zaubereiministeriums und die geballte Macht uralter Bürokratie gemacht. (Fortsetzung zu „Das Grauen von Hogwarts“)
Das Grauen von Hogwarts breitet sich in der Zaubererwelt aus und berührt auch Lord Voldemorts Umtriebe. Als er wütend das inzwischen verlassene Ministerium stürmt, wird er von einem alten Bannspruch zum Minister gemacht, der sich an die Gesetze halten soll. Aber Lord Voldemort wäre nicht er selbst, wenn er nicht um seine Freiheit kämpfen würde.
Sprache
Zuallererst fällt hier der außergewöhnlich ausgereifte Stil auf, der von langer Praxis und/oder großem Talent spricht. Ähnliches konnte ich bereits in einer anderen Geschichte der Autorin feststellen, nämlich ‚Olympische Reformen‘. Es gab zwar in diesen beiden neueren Texten den einen oder anderen Tippfehler, doch auf die Länge der Geschichten gesehen verzeihlich wenig. Über all dem steht die facettenreiche, energetische Stimme der Autorin, die nie den Faden oder die Spannung der momentanen Szene verliert, sondern wie aus einem Guss die Geschichte präsentiert. Das beginnt mit stimmungsvollen, atmosphärischen Beschreibungen, setzt sich fort mit gewitzten, schlagfertigen(nur oft zu langen)Dialogen und endet mit aussagekräftiger Formensprache, was die Gedankenwelt der handelnden Figuren betrifft. Auf diesem Gebiet liegt also eindeutig die Stärke der Geschichte.
Inhalt/Handlung
Der erste Teil, ‚Das Grauen von Hogwarts‘, ist eine durchaus clevere Allegorie auf die Flut von HP-Fanfics, die hier durch zahllose auftretende ‚Fälschungen‘ der Charaktere und die Verkörperung aller abstrusen Fan-Fantasien dargestellt werden. Auch der zweite Teil beschäftigt sich mit der Art und Weise, wie ‚Muggelgören‘ mit der Fantasiewelt des HP umgehen und was sie alles mit seinen Darstellern aufführen. Viel weiter im Detail kann ich den Plot an sich allerdings nicht beurteilen, da ich die Geschichte nur teilweise gelesen habe. Für mich persönlich kann ich sagen, dass der Plot so unentwirrbar ist wie ein Oktopus aus Beton und immer wieder um die gleichen Themen kreist, womit mein Interesse auf der Ebene nicht geweckt werden konnte.
So ausgeklügelt die Handlung mit ihren Themen über die Frage ist, was nun wirklich ist- der Fandom oder seine Schreiber- sie bleibt ein undurchsichtiges Geflecht, das Kenner der Materie wissend und auch schmunzelnd nicken lassen wird, Außenstehende(wie mich)aber ratlos zurücklässt. Wenn man die letzten zehn Jahre- was Buch-Neuerscheinungen angeht- unter einem Stein verbracht hat(so wie ich; es ist übrigens ein behaglicher und ungemein wohnlicher Stein, gut geschützt vor Twilight, Eragon und Harry Potter), dann geht es einem zumindest so. Doch genau das ist wohl der großangelegte Punkt beider Geschichten, wie ich unten genauer erläutern werde.
Charaktere
Unter dem Ensemble aus vervielfältigten HP-Figuren fiel mir persönlich nur eine einzige Figur auf: Die des Robert J. Parkinson, einem kleinkarierten, pflichtbewussten Beamten, der trotz des Chaos um sich herum seinen Dienst ernst nimmt und alle humorvollen Klischees, die Bürokratie im Allgemeinen und Verwaltungsbeamte im Speziellen betreffen, auf gelungene Weise darstellt. Zwar bekommen ebenso alle anderen Figuren bestimmende Charaktereigenschaften, soweit ich das sehen konnte, aber an keiner Stelle hatte ich das Gefühl, dass sie über ihre seichten Schablonen hinauswachsen. Der Schwerpunkt liegt viel eher darauf, ihnen alle ihre Plätze im HP-Universum zuzuweisen, als sie lebensecht zu gestalten. Die Ansätze dazu sind zwar vorhanden, gehen aber im allgemein chaotischen und undurchdringlichen Plot unter.
Was mir darüber hinaus auffiel, waren die Dialoge zwischen den Figuren. Obwohl sie alle von dem trockenen Humor und der geschliffenen Ausdrucksweise der Autorin durchsetzt sind(wie oben bereits erwähnt), so fühlen sie sich für mich doch alle aufgebläht, redundant und generell aussagearm an. Als würden sämtliche Figuren um klare Aussagen herumzirkeln und so nur den Plot verzögern wollen- was durchaus Absicht gewesen sein kann. Es wäre im Gesamtkontext zumindest stimmig, der sich ja ebenso um klare Richtung und Aussage drückt- ganz nach der Intertextualitätstheorie, auf die ich im nächsten Abschnitt zu sprechen komme.
Sonstiges
Die Autorin vermerkte in einem Kommentar, dass sie die beiden(vor allem die zweitere, längere)Geschichten 'Kristevas Intertextualitätstheorie' zugrunde gelegt hat. Wenn der geneigte Review-Leser sich nun fragt, was zum Henker das sein soll, hier eine Erklärung in aller Kürze. Diese Theorie besagt, dass kein Text ohne den Bezug zu seinem kulturellen Hintergrund und anderen, darauf basierenden Texten denkbar ist bzw. funktionieren kann. Desweiteren geht es darum, dass nicht der Autor, sondern der Leser(oder eben der Fanfic-Schreiber)für Interpretation und Bedeutung sorgt.
Diese Theorie kommt eigentlich recht gut rüber in diesen beiden Geschichten, sind sie doch ohne ihren Hintergrund im HP-Fandom nichts weiter als eine Aneinanderreihung von Zitaten und Anspielungen, die für sich genommen ohne Aussage oder Bedeutung sind. Zwar hat die Autorin dieses Prinzip bewusst eher auf der Plot-Ebene angewandt(und führt es im Schluss gut verständlich aus), doch es findet sich ebenso auf allen anderen Ebenen. Hier gilt eben, dass jeder Text seine Bedeutung nicht vom Autor erhält, sondern vom Leser(der den Hintergrund kennt)- oder auch nicht. Nicht anders verhält es sich mit diesen beiden Texten, die für mich persönlich kein Jota Bedeutung haben. Insofern hat die Autorin ihr Ziel erreicht.
Persönliche Meinung
Ich habe lange überlegt, warum mich diese Geschichte so kalt gelassen hat, trotz des ausgesprochen guten Stils, in dem sie geschrieben ist- etwas, auf das ich bei meinem Lesestoff immer großen Wert lege. Der Grund ging mir schließlich auf, als ich einen bewussten Vergleich zu meiner momentanen Privatlektüre anstellte, nämlich ‚Stolz und Vorurteil‘ von Jane Austen. Über den englischen Adel des 19.Jahrhunderts weiß ich genauso wenig wie über die Fantasiewelt des Harry Potter- wenn nicht sogar weniger, da ich zumindest eine der Verfilmungen gesehen habe.
Insofern stellen beide Texte das Eintauchen in eine für mich fremde Welt dar. Beide Autorinnen führen so gut wie keine Erklärungen für diese Szenarien an, sondern nehmen die Informiertheit des Lesers über diese Welten als gegeben an. Und doch gibt es einen großen Unterschied in meiner Wahrnehmung: Wo in Jane Austens Roman alle Figuren dreidimensionale, lebendige Abbilder menschlicher Wirklichkeit sind, da sind die Figuren in dieser Fanfic so sehr damit beschäftigt, ihren Vorbildern zu entsprechen, dass sie als flache Projizierungen von ohnehin nicht allzu sehr ausgearbeiteten Figuren dienen.
Bis zu einem gewissen Grad bringt das Genre der Fanfiktion diese Erscheinung eben mit sich. Auch ist der Vergleich zwischen Jane Austen und der Autorin sicherlich unfair(eigentlich ALLEN lebenden Autoren gegenüber). Das ändert aber nichts daran, dass die ‚Kraft der Inspiration‘, um einen zugegebenermaßen etwas nebulösen Begriff zu verwenden, einen Text trotz aller Einflüsse unabhängig und aussagekräftig machen kann, ohne ihn in einem konkreten kulturellen Hintergrund verankern zu müssen(wie eben einem Fandom).
Überarbeitungsvorschläge
Bei einem so ausgereiften und stilsicheren Text wäre jeder Überarbeitungsvorschlag nur eine Änderung im meinem Sinne- aber nicht jenem der Autorin, die hier offensichtlich sehr gut weiß, was sie tut, und meine Ratschläge auf der Ebene nicht braucht. Ich kann mich abschließend nur entschuldigen, wenn dieses Review mehr zu einer Abhandlung literarischer Weltbilder als- tja, zu einem Review eben wurde, aber diese Geschichte hat mich in der Hinsicht enorm zum Denken angeregt. Was ja ein Punkt auf der positiven Seite ist :-) Und letztendlich wäre das Fazit allein, das nun folgt, zwar durchaus ausreichend, aber für die wartende Autorin wohl zu wenig gewesen.
Fazit: Stilistisch perfekt, sehr lesenswert und kaum zu verbessern- wenn man nicht gerade mit der Intertextualitäts-Theorie(sowie Harry Potter)auf Kriegsfuß steht.
Liebe Grüße,
Rahir